Die Choreografin und Performancekünstlerin Venuri Perera setzt sich seit vielen Jahren u.a. mit den Themen Patriarchat, Nationalismus und Machtdynamiken von Blicken auseinander, so auch in ihrer aktuellen Performance descenDance. Nach ihrer Show hatte ich die Gelegenheit mich mit ihr über ihre Arbeit und ihre Inspirationen dazu zu unterhalten.
Perera gehört zu den wenigen nicht-indischen Frauen aus Südasien in der Performancewelt. Die Stimmen von Künstlerinnen aus Sri Lanka, Pakistan, Bangladesch oder Nepal finden bisher zu wenig Gehör. Dabei machen Frauen aus diesen Ländern jeweils ganz eigene Erfahrungen.
Perera selbst war u.a. von den Liebesgedichten an wilde Tiere inspiriert, die ihre Mutter in den 1970ern und 1980ern geschrieben hatte. Perera sah in ihnen den Versuch ihrer Mutter, das Versagen der Menschheit durch das Wundersame dieser Tiere zu begreifen. Zu Beginn von descenDance taucht Perera in diese Welt ihrer Mutter ein, versucht mit Staunen und Neugierde zu erspüren, zu fühlen und dabei sowohl gesehen als auch ungesehen zu werden. Während sie in verschiedene Schichten von langen Tüchern gehüllt auf einem schmalen Tisch mit Rädern balanciert, bewahrt sie sich eine schützende Anonymität vor Blicken: Blicke, die Projektionen von „Herkunft“, „Identität", „Gender“, „Klasse“ nach sich ziehen. Hinter der Verschleierung spielt Perera mit der Macht von Sichtbarkeit ebenso wie mit der Macht der sichtbaren Unsichtbarkeit.
Die Auseinandersetzung mit den Machtdynamiken des Blicks geschieht bisher mehrheitlich in Zusammenhang mit den Medien Film und Fotographie. Objektivierten des Begehrens können diesen Blicken gleichzeitig widerständig und unterworfen sein. Was paradox klingt, ist die Realität von Personen, die unter der Macht von Dominanzverhältnissen verwandelt werden, in ein „Rahmen“ gesetzt werden, letztlich zu einer Erweiterung des betrachtenden Auges und seiner Interpretationsspielräume werden. Als queerer Mann of Color habe ich durch und durch gefühlt, wie die durchdringende, dominanzstrukturelle Betrachtung BIPOC-Körper einschnürt. Verweigerung ist ein Mittel dagegen und dennoch sehe ich gerade keinen Weg sich diesen übergriffigen Blicken ganz zu entziehen.
Venuri Perera nutzt neben den Tüchern auch den Tisch einerseits als schützende und erhebende Grundlage und andererseits als Mittel der mühseligen, erschöpfenden Fortbewegung in einem Raum, der von den Körpern der Beobachtenden eingerahmt wird. Sie erspürt sowohl auf einer materiellen Ebene als auch metaphorisch die Grenzen dieses Tisches. Der Tisch kann als ein rassistisch-klassistisches Symbol verstanden werden, an dem Zugänge erkennbar werden. Wer wird einladen zu diesem Tisch, wer darf sich von selbst dazu setzen, wer wird explizit ausgeschlossen? Wie anstrengend es aussah, sich mit diesem Tisch fortzubewegen im Raum, wie viele Anläufe es benötigt hat, um voranzukommen! Die gläsernen Wände des Sexismus, des Rassismus, der Homo- und Trans
feindlichkeit kennen jene nicht, die in ihren Privilegien schlummern.
Die Performance hat mich den ganzen Abend beschäftigt und wir mich noch eine Weile weiter beschäftigen.

Kadir Özdemir, PWC
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